Muskulöse Gleisbauer und das rote Täschli: Personalwerbung

Jin Chei, Historisches Archiv
Die SBB war und ist eine der grössten Arbeitsgeberinnen der Schweiz, was einen steten Nachschub an Personal bedingt. Doch wie erreicht man das zukünftige Personal, wie werden Berufe und Tätigkeiten präsentiert?
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Titelbild der Broschüre «Kavaliere der Schiene – der Kondukteur SBB», 1964 | SBB 12.344
«Nur ein selbständiger, unabhängiger Mann eignet sich für diesen Beruf»

Was ist eigentlich ein «Eisenbahner»? Wer in einem Beamtenverzeichnis aus dem Gründungsjahr der SBB blättert, stösst auf einige Berufsleute, die heute so nicht mehr anzutreffen sind, wie etwa die Barrierenwärterin oder den Gepäckträger. Ebenso findet man aber Berufe wie jene des Rangierarbeiters, des Lokführers, oder des Kondukteurs, die auch heute noch bestehen.

Ein Blick auf die aktuell ausgeschriebenen Stellen der SBB zeigt dennoch einige Veränderungen. In einer Broschüre von 1986 heisst es zwar noch «Nur ein selbständiger, unabhängiger Mann eignet sich für diesen Beruf», heute werden aber auch Lokführerinnen gesucht.

Vergleicht man die ausgeschriebenen Anforderungen und wie die Berufe über die Jahre hinweg dargestellt werden, fallen bald noch weitere Unterschiede auf.

Zudem bietet die Personalwerbung eine interessante Erzählperspektive: Einerseits müssen Anforderungen und Chancen realistisch dargestellt werden, andererseits werden aber auch romantische Idealbilder und Berufsmythen vermittelt. Hand aufs Herz, wem möchten Sie bei Ihrer nächsten Zugfahrt lieber begegnen – einem Kundenbegleiter, oder einem Kavalier der Schiene?

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Plakat «Den Koffer packen und einfach in den Zug steigen, das wär's.», 1991, Elfie Semotan (1941-) | P_A01_0179Aa_de
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Plakat «Neue Frauen braucht das Land? Neue Männer!», 1991, Elfie Semotan (1941-) | P_A01_0186de

Wie hat sich die Personalwerbung im Lauf der Zeit verändert? Einerseits ist sie untrennbar mit der allgemeinen Werbegeschichte und -ästhetik der SBB verbunden. So finden sich beispielsweise einzelne Sujets zur Personalwerbung innerhalb von Kampagnen der Verkehrswerbung. Andererseits war die Personalwerbung auch stark an die Anforderungen des Betriebes gekoppelt.

Aus der Aktenlage scheint es, als wäre die Personalwerbung lange eher reaktiv und dezentral erfolgt. Werbung für die Bahn wurde hauptsächlich in der Form von Verkehrs- und Tourismuswerbung gemacht. Zwar wollte man Kinder und Jugendliche für die Bahn begeistern, das Ziel war dabei aber, sie zu zukünftigen Kunden und verständnisvollen Bürgern zu machen.

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Titelbild des SJW-Hefts «Mit 12000 PS durch den Gotthard», Walter Angst; Bilder von Robert S. Gessner, 1944 | SBB 4.31 : 186.2
«Es ist dabei erstaunlich festzustellen, wie wenig unsere Jugend und deren Eltern wissen, was man bei der SBB alles erlernen kann.»

Erst im Jahr 1971 wurde aufgrund der prekären Situation der SBB auf dem Arbeitsmarkt eine provisorische Organisation zur Personalwerbung aufgebaut. Diese bestand aus fünf Stellen und war vorerst der Betriebsabteilung unterstellt, welche die Initiative zur Schaffung der neuen Organisation ergriffen hatte. Die sogenannten «Beauftragten für Berufsinformation» waren aber auch für die Abteilungen Bau und Zugförderung tätig.

Was war nun die Aufgabe eines solchen Herrn? Im SBB-Nachrichtenblatt 04/1972 wird die Frage wie folgt beantwortet:

«Vor allem steht er allen Interessenten im persönlichen Gespräch oder auf schriftlichem Wege zur Verfügung, ganz gleich, ob es sich um ratsuchende oder unschlüssige junge Leute oder um Schulen und Lehrer handelt. Es ist dabei erstaunlich festzustellen, wie wenig unsere Jugend und deren Eltern wissen, was man bei der SBB alles erlernen kann.»

Gerold Naegeli
Georg Nägeli, Beauftragter für Berufsinformation in Zürich, 1972 | SBB 9.1de : 1972
Jacques A Merle
Jacques A. Merle, Beauftragter für Berufsinformation in Lausanne, 1972 | SBB 9.1de : 1972

Zu den weiteren Aufgaben der Beauftragten für Berufsinformation gehörte der Besuch von Elternabenden und regionalen Orientierungsveranstaltungen sowie die Zusammenarbeit mit Berufsberatungsstellen und dem bereits länger bestehenden Schulreferentendienst. Letzterer besuchte zwar aktiv Schulen, vermittelte aber allgemeine Information über die SBB und betrieb grundsätzlich keine Personalwerbung.

Mit welchen Medien und Inhalten wurde nun Werbung gemacht? Vorerst mit altbekannten Mitteln wie Broschüren und Plakaten. Wohl zur Schliessung der obengenannten Wissenslücke wurde 1973 eine Sammlung von zwölf Berufsbroschüren herausgegeben, die sich nun textlich und grafisch einheitlich präsentierte.

12 51 Betriebsangestellter
Titelbild der Broschüre «Karriere machen bei der SBB: Betriebsangestellter und seine Aufstiegsmöglichkeiten», 1973 | SBB 12.51
12 51 Visiteur
Titelbild der Broschüre «Karriere machen bei der SBB als Visiteur», 1973 | SBB Historic SBB 12.51
12 51 Betriebsbeamtin
Titelbild der Broschüre «Ein moderner Frauenberuf: Betriebsbeamtin oder Büroangestellte SBB», 1973 | SBB 12.51
12 51 Kondukteur
Titelbild der Broschüre «Karriere machen bei der SBB: Kondukteur/Zugführer», 1973 | SBB 12.51
12 1505 Wotschen Pruef
Ausschnitt aus dem Aktionsplan «Personalwerbung SBB», 1981 | SBB 12.1505
Berufsinformationswagen
Berufsinformationswagen X 30 85 9407 373 mit Mitarbeitenden der Hauptwerkstätte Biel, ca. 1980 | SBB 9.1de : 1980

1981 legte die Personalabteilung, bei der die Personalwerbung nun angesiedelt war, einen Aktionsplan vor. Die darin eingeplanten Mittel beinhalteten Plakate, Informationsstände, Inserate und Direktwerbung per Post.

Filmmaterial gehörte nicht explizit dazu, obwohl 1980 ein Ausstellungswagen für die Zwecke der Berufsinformation umgestaltet wurde, in welchem mit «modernen audiovisuellen Mitteln in die Berufswelt des Eisenbahners» eingeführt wurde.

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Plakat «Jetzt eine Baulehre», ca. 1988, Heinz Heimann-Unicom S.A., Zürich | P_A01_1434de
12 642 Der Geleisemonteur
Ausschnitt aus der Broschüre «SBB-Lehrberufe», 1987 | SBB 12.642

Inhaltlich bietet die Berufswerbung auf den ersten Blick keine grossen Überraschungen. Die angebotenen Berufe und Stellen sind eigentlich immer «interessant» oder «vielfältig».

Spannend ist aber, auf welche zusätzlichen Werte der Fokus gelegt wird und welche Rollenbilder - auch in der visuellen Darstellung - heraufbeschworen werden.

So wird beispielsweise von einem «echten, verantwortungsvollen Männerberuf, wo man zupacken kann und wo man gefordert wird» gesprochen, wenn es um den Beruf des Gleismonteurs geht. Bahnbetriebssekretär:innen hingegen sind «die Seele jedes Bahnhofs». Bei den Berufsbeschreibungen ist natürlich zu beachten, dass viele Berufe lange nur Männern vorbehalten waren.

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Umschlagbild der Broschüre «Die Männer vom Geleisebau: Ein vielseitiger Beruf», s.d. | SBB 13.276
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Plakat «Davantage de trains, du petit matin à minuit! En Intercity de ville à ville. CFF», 1988 | P_A01_0278fr

In der Werbung wird nebst den Klischees aber auch deutlich, welche Objekte und Tätigkeiten in der allgemeinen Wahrnehmung untrennbar mit einem Beruf verbunden sind. Dies zeigt sich beispielsweise in der Verwendung der roten Zugführertasche, die in der Kampagne der Agentur GGK in Kombination mit der passenden Mütze allem und jedem – vom Hahn bis zum Kartoffelsack – erlaubt, für die SBB zu werben.

Als Spiegel der Personalpolitik und von gesellschaftlichen Werten ist die Personalwerbung in ihrer Vielfalt eine spannende soziokulturelle Quelle. Und aus den dargestellten Berufsbildern lässt sich auch herauslesen, was jetzt eigentlich einen Eisenbahner oder eine Eisenbahnerin ausmacht.

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Wettbewerb «SBB Beruferaten» aus der Zeitung «Gleis frei», Frühjahr 1974 | SBB 14.7de : 1974
Bilder zum Blog

1_Titelbild der Broschüre « Kavaliere der Schiene – der Kondukteur SBB», 1964, Publizitätsdienst SBB, SBB Historic SBB 12.344

2_Plakat «Den Koffer packen und einfach in den Zug steigen, das wär's. SBB», 1991, Elfie Semotan (1941-), Papier, Offset, 120 x 169.5 cm, SBB Historic P_A01_0179Aa_de

3_Plakat «Neue Frauen braucht das Land? Neue Männer! Lehrstellen mit Zukunft bei der Bahn. Lehrstellen bei der Bahn. Telefon 031/60 41 33. SBB», 1991, Elfie Semotan (1941-), Papier, Offset (Vierfarbdruck), F4 (90.5 x 128 cm) Weltformat, SBB Historic P_A01_0186de

4_Titelbild des Hefts «Mit 12000 PS durch den Gotthard: technische Reise eines jungen Eisenbahnfreundes», Walter Angst; Bilder von Robert S. Gessner, 1944, SBB Historic SBB 4.31 : 186.2

5_Foto «Jaques-A. Merle in Lausanne…», abgedruckt im SBB Nachrichtenblatt 4/72 auf Seite 74, 1972, SBB, SBB Historic 9.1de : 1972

6_Foto «…Gerold Naegeli in Zürich haben ihre Arbeit als «Beauftragte für Berufsinformation» aufgenommen», abgedruckt im SBB Nachrichtenblatt 4/72 auf Seite 74, 1972, SBB, SBB Historic 9.1de : 1972

7_Titelbild der Broschüre «Karriere machen bei der SBB: Betriebsangestellter und seine Aufstiegsmöglichkeiten», 1973, Betriebsabteilung der Generaldirektion SBB, SBB Historic SBB 12.51

8_Titelbild der Broschüre «Karriere machen bei der SBB als Visiteur», 1973, Betriebsabteilung der Generaldirektion SBB, SBB Historic SBB 12.51

9_Titelbild der Broschüre «Ein moderner Frauenberuf: Betriebsbeamtin oder Büroangestellte SBB», 1973, Betriebsabteilung der Generaldirektion SBB, SBB Historic SBB 12.51

10_Titelbild der Broschüre «Karriere machen bei der SBB: Kondukteur/Zugführer», 1973, Betriebsabteilung der Generaldirektion SBB, SBB Historic SBB 12.51

11_Foto Berufsinformationswagen X 30 85 9407 373 mit Mitarbeitenden der Hauptwerkstätte Biel zur Kurzmitteilung «Berufsinformation auf Rädern», abgedruckt im SBB Nachrichtenblatt 1/80 auf Seite 17, ca. 1980, SBB, SBB Historic SBB 9.1de : 1980

12_Ausschnitt aus der Broschüre «Personalwerbung SBB», 1981, Personalabteilung SBB, SBB Historic SBB 12.1505 (vergleiche auch SBB Historic P_A01_1438 für das abgebildete Plakat)

13_Plakat «Jetzt eine Baulehre. Meine Laufbahn. SBB», ca. 1988, Heinz Heimann-Unicom S.A., Zürich, Papier, Offset (Vierfarbdruck), F4 (90.5 x 128 cm) Weltformat, SBB Historic P_A01_1434de

14_Ausschnitt aus der Broschüre «SBB-Lehrberufe», 1987, Berufsinformation SBB, SBB Historic SBB 12.642

15_Umschlagbild der Broschüre «Die Männer vom Geleisebau: Ein vielseitiger Beruf», s.d., Bauabteilung und Publizitätsdienst SBB / H. Stieger, SBB Historic SBB 13.276

16_Plakat «Davantage de trains, du petit matin à minuit! En Intercity de ville à ville. CFF», 1988, Papier, Offset, F4 (90.5 x 128 cm) Weltformat, SBB Historic P_A01_0278fr

17_Ausschnitt aus der Zeitung «Gleis frei», Frühjahr 1974, Betriebsabteilung der Generaldirektion SBB; Redaktion durch W. Trüb, Pressedienst SBB, SBB Historic SBB 14.7de : 1974

18_Umschlagsbild der Broschüre «Berufschancen bei der SBB», 1973, Betriebsabteilung der Generaldirektion SBB, SBB Historic SBB 12.51

12 51 Broschuere Leute
Umschlagsbild der Broschüre «Berufschancen bei der SBB», 1973 | SBB 12.51
Quellen

Broschüre «Kluge Berufsleute setzen auf die SBB», 1986, Berufsinformation SBB, SBB Historic SBB 12.639

Beitrag «Wie die SBB das Marketing lernten» in «Der Kluge reist im Zuge» (Herausgeber Hans Von Arx), 2001, Markus Seger SBB Historic SBB 1.6620

Beitrag «Beauftragter für Berufsinformation - ein neuer SBB-Beruf» im SBB Nachrichtenblatt 4/72 S.74-75, 1972, W. von Gunten, Personalwerbung und -rekrutierung bei der BA GD, SBB Historic 9.1de : 1972

Die Werbung der SBB 1902-2000, 2005, Markus Seger, SBB Historic SBB 12.1241

https://company.sbb.ch/de/jobs-karriere/beweg-die-schweiz-mit-uns/bahnberufe/berufsbild-lokfuehrerin.html (Zugriff am 22.08.2023)

Broschüre «Personalwerbung SBB», 1981, Personalabteilung SBB, SBB Historic SBB 12.1505

Broschüre «SBB-Lehrberufe», 1987, Berufsinformation SBB, SBB Historic 12.642

Schreiben «Berufsinformation / Personalwerbung», 03.08.1977, SBB Historic GD_GS_SBB39_031_05